Pressen. Überlasst es den Expertinnen!

Eine gebärende Frau ist DIE Expertin darin zu wissen, wann und wie sie pressen muss. Jegliche Anweisung zum Pressen macht den Anschein, dass Sie die Anweisung bräuchte , welche die Geburtshelfer ihr geben und dass somit sie die Experten wären.Natürlich ist jede Frau und jede Geburtssituation anders und in einigen Fällen können dezente Hinweise für die Frau hilfreich sein. In diesem Beitrag soll es um die Auswikungen gehen, die es hat, wenn man einer Frau sagt, wie sie zu pressen hat, wann sie zu pressen hat und wann nicht.

Die Mutter zum pressen anweisen:

Es gibt überwältigende Beweise dafür, dass angeleitetes Pressen die Morbidität (Sterblichkeitsrate) für Mutter und Kind erhöht. Unter Anderem steht es im Zusammenhang mit:

bei der Mutter: Einem verändertem PH-Wert der Körperflüssigkeiten, der zu ineffizienten Kontraktionen (Wehenschwäche) führt, Müdigkeit auslöst und zu einer metabolischen Azidose (Übersäuerung des Blutes) führen kann

beim Baby: stört es den allmählichen Abstieg im Geburtskanal und erhöht die Gefahr einer Hypoxie (Sauerstoffmangel)

Darüber Hinaus verringert es nicht, wie angenommen, die Dauer der Pressphase. Durch angeleitetes Pressen ensteht leider jedoch oft genau das folgende Szenario:

Die Mutter wird zum Pressen angefeuert -> das Baby wird hypoxisch und es werden Auffälligkeiten im fetalen Herzschlag bemerkt -> die Frau wird angeschrien, fester zu pressen um ihr gestresstes Baby schneller zu gebären -> die Mutter presst noch stärker -> das Baby wird immer hypoxischer und wird noch mehr gestresst -> der Arzt wird gerufen, um das Baby herauszuziehen und „zu retten“

Die Mutter anweisen, nicht zu pressen:

Die Muttermund-Lippe / der Muttermundsaum

Der häufigste Grund, weswegen den Frauen das mitschieben untersagt wird, ist der, dass der Muttermund noch nicht ganz vollständig eröffnet ist. Bei Sternenguckern verspürt die Frau oft das Gefühl, mitschieben zu müssen,  noch bevor der Muttermund vollständig ist. Dann wird ihr häufig gesagt, sie dürfe nicht mitschieben, da diese Muttermund-Lippe/Saum anschwellen oder gar einreißen würde und dass dann das Baby Probleme hätter, tiefer zu kommen. Diesem Drang zu pressen NICHT nachzugehen ist eine fast unmögliche Aufgabe für die Gebärende und viele entscheiden sich an dieser Stelle doch für die PDA oder werden zu einer überredet, damit der Drang nachlässt.  Das Baby wird sich so aber weniger wahrscheinlich in eine vordere Hinterhauptslage drehen, weil die Spannung des Beckenbodens mit PDA geringer ist und die Frau nicht mehr in der Lage ist, sich ganz frei zu bewegen.

Es gibt keine Beweise, dass die Cervix tatsächlich anschwillt, wenn zeitig mitgeschoben wird. In einigen Kulturen auf der Welt ist es Tradition, dass die Frauen von Beginn der Eröffnungswehen an kräftig mitschieben.  Diese Kulturen müssten, aufgrund der dauernd anschwellenden/reißenden Gebärmutterhälse und feststeckenden Baby’s,  längst ausgestorben sein. Studien ( Borrelli, Locatelli & Nespoli 2013; Downe et al. 2008)  haben festgestellt, dass die Inzidenz des „Frühen-Pressdrangs ->Early Pushing Urge“ (EPU, wie es in der Fachliteratur genannt wird) zwischen 20-40% liegt und nicht mit Komplikationen verbunden ist.

Wenn einer Frau gesagt wird, sie solle nicht pressen, dann ist die Message: „Dein Körper funktioniert nicht richtig und gibt dir falsche Signale! – Du musst gegen ihn arbeiten!“  Erst gegen den eigenen Körper anzukämpfen , bis endlich „erlaubt“ wird, MIT ihm zu arbeiten, kann die Zusammenarbeit von Psyche und Körper schwierig machen. Wieder in den Rhytmus der Wehen zu finden, wenn man sich so gegen sie gewehrt hat – nicht so einfach! (Bergstrom 1997)

Noch mehr über die berühmte Muttermund-Lippe/Saum in einem späteren Post.

„Atmen, nicht pressen!“

Nun werde ich einmal tief durchatmen, bevor ich diesen Absatz schreibe, denn viele werden sich vielleicht beleidigt oder angegriffen fühlen. Gerne kann in dem Forum unter dem Artikel diskutiert werden. Ich bin gespannt auf eure Meinungen und Ansichten. Also los….

Es scheint zur Zeit der Trend umzugehen, der Frauen einredet, sie sollen ihrem instinktiven Drang zum pressen widerstehen. Die Idee ist, das Baby sanft „heraus zu atmen“ und das klingt auch alles ganz wunderbar. Allerdings gibt es häufiger Geburtsberichte von Frauen, in denen ein „Gefühl des Versagens“ mitschwingt, weil sie nicht im Stande waren, diese „sanfte Atmung“ während der Geburt ihres Kindes zu erreichen. Bei manchen Frauen ist auch zu sehen, wie sie während der Geburt gegen diesen urgewaltigen Pressdrang ankämpfen – kämpfen um den Atem nach oben raus zu lassen, statt ihrem Drang zu folgen und nach kräftig unten zu schieben. Wieder ein Kampf gegen den eigenen Körper….

„HypnoBirthing“, die Mongan-Methode, scheint einer der wichtigsten Vertreter dieser „Nicht-pressen-Technik“ zu sein. Insgesammt hat das Buch auch viele positive Informationen über Frauen und ihre natürliche Fähigkeit, ein Kind zu gebären. Ich stimme auch voll und ganz zu, das angeleitetes Power-Pressen absolut nicht gut ist (siehe oben). Aber dem folgenden Absatz sehe ich ganz anders. Zitat aus HypnoBirthing:

„Frauen sprechen selbst oft davon, dass sie einen überwältigenden Drang zu pressen haben. Wenn man dies verspürt, rührt das auch von der tief verwurzelten Vorstellung her, dass sich Kinder nicht selbst den Geburtsweg entlang bewegen können. Wir scheinen die einzigen Säugetiere zu sein, die ihre Geburten zu etwas machen, das eine Gymnastikübung zu sein scheint, mit Stangen und Seilen, an die sich die Mütter hängen können.Dies ist wohl kaum ein Spiegelbild der Natur. Unsere Schwestern im Tierreich lassen ihre Kinder sanft heraus kommen.“

Pressen ist physiologisch und instinktiv und ein Merkmal aller Säugetiergeburten. Einer Frau zu sagen, dass pressen eine „antrainierte Konditionierung“ ist und ihr Baby so keine sanfte Geburt erleben kann, ist deprimierend und entkräfet die Frau. Eine kraftvolle, ursprüngliche, laute und instinkgeleitete Geburt ist genauso erstaunlich und toll, wie eine sanfte ,ruhige und kontrollierte Geburt.

Vorschläge:

Vor der Geburt

*Geburtshelfer sollten herausfinden, wie sich die Frau diesen Teil der Wehen vorstellt und was ihre Erwartungen sind

*Stärken Sie ihren Glauben an ihre ureigene, angeborenen Fähigkeit, zu gebären und erklären sie ihr, dass dies der Grund sein wird, warum sie Sie nicht zum pressen anleiten werden. Das ist wichtig, weil manche Frauen mangelnde Anleitung als mangelnde Unterstützung fehl-interpretieren könnten, wenn sie erwarten, dass ihnen gesagt wird, was zutun ist.  (Anderson 2010; Parnell et al. 1993).

* Ermutigen Sie Erstgebärende, mit anderen Müttern zu reden und Geburtsberichte von frisch gebackenen Müttern zu lesen. Das ermöglicht ihr, sich ein Bild zu machen von dem, was auf sie zukommen könnte und wie unterschiedlich eine Geburt von Frau zu Frau und von Kind zu Kind sein kann.

* Zeigen Sie ihr Wege, sich mit ihrem Körper zu verbinden und wie sie ihr Beckengewebe am besten entspannen kann, so dass Sie dies während der Wehen für sich nutzen kann.

* Wenn die Frau im Krankenhaus entbinden möchte, sollte sie auf die Krankenhaus-Routinen, inklusive angeleitetem Power-Pressen vorbereitet sein. Eine Doula oder ein gut strukturierter Geburtsplan können eine große Hilfe sein.

Während der Geburt

*Störungen während der Geburt sind zu vermeiden, da sie die physiologischen Vorgänge stören. Sprechen oder handeln Sie nur, wenn es wirklich notwendig ist.

* Wenn die Mutter den Drang zu pressen verspürt und dies äussert, beruhigen sie Sie und versichern ihr, dass dies ein gutes Zeichen ist.Leiten sie Sie aber nicht zum pressen an! Es wird der Punkt kommen, an dem sie diesem Drang sowie so nicht mehr widerstehen kann.

* Wenn die Mutter sehr angespannt ist und das Baby sich nicht senkt, ermutigen sie Sie, die Techniken zur Beckenmuskel-Entspannung anzuwenden, die Sie gelernt hat um sich zu öffnen.

Im Wesentlichen gilt: Wenn wir Frauen sagen, wie sie zu pressen haben, wann sie zu pressen haben und wann nicht , widerspricht der Vorstellung, dass Frauen die Experten ihrer eigenen Geburten sind.

Pressen mit einer PDA

Die oben genannten Informationen gelten für physiologische Geburten, dh für Geburten ohne Interventionen. Eine PDA kann den Drang zum Pressen verschieben und die Zeit, bis sich das Baby senkt, verlängern, auch wenn die Cervix voll eröffnet ist. Ein evidenzbasierter Ansatz beim pressen mit einer PDA ist, zu warten bis der Kopf sichtbar, also fast geboren ist. Dann, wenn erforderlich, kann gepresst werden um das Baby zu gebären. Dies sollte dann nur einige wenige Mal Pressen erfodern. Diese Vorgehensweise verringert die Zahl der Instrumentalgeburten (Zange/Saugglocke) und außerdem die Zeit des Pressens. (Brancato et al. 2008)

Es ist außerdem vorteilhaft für die Frauen, sich nicht auf ihr Kreuzbein zu legen oder zu setzen, um den Platz im Becken zu maximieren. Rückenlage und Halb-Sitzend auf dem Bett sind also die deutlich ungünstigsten Positionen. Viele Frauen können sich trotz PDA bewegen, knien und hocken sind Ihnen möglich. Wenn nicht, ermöglicht die Seitenlage , dass sich Kreuzbein und Steißbein nach hinten verschieben können.

 

Quellen:

Rachel Reed : midwifethinking.com

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